LICHTFALTUNG LÜDENSCHEID
LHVH ARCHITEKTEN, KÖLN

Eine Lichtstele, die bei Tag und bei Nacht ihren Namen verdient, schmückt den neu gestalteten Bahnhofsvorplatz in Lüdenscheid. In Präzisionsarbeit entstand sie im steten Dialog mit den entwerfenden Architekten. Auf dem Bahnhofsvorplatz in Lüdenscheid sorgt eine 7,50 m hohe »Lichtfaltung«, die RSL nach dem Entwurf von LHVH Architekten, Köln, konstruiert hat, für Gesprächsstoff. Auf kleinem, dreieckigem Grundriss schwingt sich die weiße Lichtstele auf vier verschiedenen Niveaus mit jeweils sechs dreieckigen teils opaken, teils transluzenten Flächen buchstäblich spannungsgeladen empor, um die Besucher der »Stadt des Lichts« mit ebendiesem Synonym willkommen zu heißen. Dabei verschieben sich die Dreiecke von Ebene zu Ebene um jeweils 180° in der Längsachse. Minimal gefugte Glascheiben wechseln sich mit Blechen ab, die in einem Stück zu konkavkonvexen Formen gekantet sind. Zwischen einem leuchtenden Objekt und einer nicht elektrifizierten Stele hatten die Architekten, die bereits seit Studienzeiten künstlerisch mit Licht experimentieren, in der Entwurfsphase gerungen. Als Mischung aus beiden Entwurfsideen zeigt sich die Lichtstele in ihrer heutigen Form. Bei Tag lebt das streng geometrisch angelegte, matt-weiße Objekt einzig von der tageslichtabhängigen Dynamik aus Licht und Schatten, der die vertikal zu Dreiecken »gefalteten« Flächen ein reizvolles Spielfeld bieten. Bei Dunkelheit verwandelt sich die dann mit Leuchtstoffröhren hinterleuchtete »Lichtfaltung« in ein fragil wirkendes Gebilde, das mit dem Gewicht von fast einer Tonne über dem Boden zu schweben scheint.

Was heute im Auge des branchenfremden Betrachters so leicht und selbstverständlich wirkt, wirft bei Fachleuten zurecht konstruktive wie ökonomische Fragen auf. Wie wurde die Stabilität erreicht, wie kommt die präzise Fugenausbildung zwischen den großflächigen, spannungserzeugenden Flächen aus horizontal abwechselndem Glas und Aluminium zustande und welche Mehrkosten mögen bei der äußerst präzisen Ausführung angefallen sein?

»Der Weg zur Vollkommenheit und zu jedem Fortschritt ist fortwährende Selbstkritik.« Kurt Schwitters. Genau 48.000 Euro hat sich die Stadt Lüdenscheid ihr neues Wahrzeichen kosten lassen. Nicht mehr und nicht weniger,als das Budget festschrieb. Dass es hier nicht zu Abweichungen kam, lag eindeutig an dem überdurchschnittlichen Engagement der Architekten und des Sonderleuchten-Experten. Kein Aufwand wurde gescheut, um den Entwurf bis ins kleinste Detail zu einem ästhetischen Konstrukt zu bringen. »Es waren teilweise sehr kniffelige Prozesse«, resümiert Architekt Jens Voss, und sein Büropartner Frank Holschbach fährt fort: »An den Mustern, die RSL nach dem Erstgespräch gebaut hat, haben wir schon gesehen, worauf wir konstruktiv achten mussten. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie man die Kantungen sauber lösen kann. Wie man in diesem Zusammenhang mit der Materialdicke umgeht, so dass man diese nicht mehr wahrnimmt. Bei dem Verbundglassystem sprechen wir immerhin von 12 mm.« 

»Ich bin total detailversessen.« Jens Voss. Zur Stabilisierung der Konstruktion, aber auch zur Eliminierung der Fugen-Toleranzen an der Außenhaut, wurde im Hohlraum der Lichtfaltung ein 244 mm starkes, feuerverzinktes, zylindrisches Stahlrohr mit dreiachsigen Punkthaltern installiert, die sowohl vertikal wie horizontal verstellbar sind. Damit konnten die Fugen zwischen den Aluminiumund Glasscheiben völlig sauber ausgebildet werden. »Ich bin total detailversessen«, räumt Jens Voss ein. »Bei RSL haben sie bestimmt so manches Mal die Faust in der Tasche gemacht, aber sie haben immer alles gegeben und neben ihrer Präzisionsarbeit auch Systementwicklung zur Verfügung gestellt, damit unsereVorstellungen 1:1 umsetzbar wurden. Vor allem haben sie immer verstanden, was wir aus Architektensicht meinen. Eine inhaltlich reibungslose Kommunikation ist in unserem Metier überhaupt nicht selbstverständlich«, kommt der Büropartner von LHVH zum Schluss.

Der Bau von nicht nur ungewöhnlichen, sondern auch besonders groß dimensionierten Sonderleuchten gehört bei RSL zum Kerngeschäft. In diesem Fall stellte sich jedoch das Problem, dass Bleche von über vier Metern Länge in der eigenen Fertigung nicht gekantet werden können. Die mathematische Formelder Flächenverdoppelung von Ebene zu Ebene, zu deren Realisierung Bleche solcher Länge benötigt wurden, sollte jedoch keineswegs angetastet werden. »Das hätte die wohl kalkulierte Proportion der Lichtfaltung zerstört«, sagt Dirk Alheit. »Eine Zweiteilung des Aluminiumblechs kam natürlich auch nicht in Frage. Deshalb haben wir diese Arbeit außer Haus gegeben«, informiert der Projektleiter von RSL. »Wir sind hier in der Region hervorragend vernetzt, arbeiten seit vielen Jahren mit Partner-Unternehmen, die flexibel, schnell und zuverlässig sind. So konnten wir auch diese Vorstellung der Architekten perfekt und zügig realisieren.« Im Unternehmen selbst mussten die Bleche anschließend mehrfach geschliffen und lackiert werden, damit die produktionstechnisch bedingten Verformungen des 3 mm starken Materials, die sich beim Anschweißen der Befestigungspunkte für die Punkthalter gebildet hatten, ausgeglichen wurden. Im letzten Schritt der Blechverarbeitung wurden die Buchstaben, die bei Dunkelheit lesbar leuchten sollten, ausgelasert. Für die Beschriftung der Glaselemente aus mit matter Folie hinterlegtem Verbundsicherheitsglas wurde ein schwarzer Aufdruck gewählt, in den flächenbündig und kaum wahrnehmbar diverse abschließbare Revisionsöffnungen integriert wurden. 

Bereits sechs Wochen nach Auftragserteilung war das Werk vollbracht und rollte per Sattelschlepper von Sankt Augustin nach Lüdenscheid. Ein von RSL gestellter Kran hievte die etwa 1 Tonne schwere Lichtfaltung an ihren Standort, wo sie heute unverwechselbar als neues Wahrzeichen fungiert und für das Selbstverständnis Lüdenscheids als »Stadt des Lichts« wirbt. Wie viele Planungsschritte, wie viel Entwicklungsleistung und Flexibilität seitens der Architekten und des Sonderleuchten-Herstellers zur Erreichung dieser ästhetischen Lösung bei Einhaltung des wirtschaftlichen Rahmens nötig waren, verrät die Lichtfaltung mit keinem Detail. Das macht ihr eigenes Selbstverständnis aus.

www.lhvh.de


LICHTFALTUNG LÜDENSCHEID
JENS VOSS UND FRANK HOLSCHBACH,
LHVH ARCHITEKTEN, KÖLN

»Total Detailversessen«
Ein Interview mit Jens Voss und Frank Holschbach, LHVH ARCHITEKTEN, Köln


Seit 2003 betreiben die drei Freunde Frank Lohner, Jens Voss und Frank Holschbach, die sich bereits aus Studienzeiten kennen, gemeinsam das Büro LHVH Architekten in Köln. Schon der charmante Standort, eine ehemalige Werkhalle in einem Gewerbegebiet am Stadtrand, sagt etwas über die eher unkonventionelle Haltung der drei Büropartner aus. Neben dem Entwurf und der Planung von anspruchsvollen Privathäusern, Verwaltungs- und Gewerbebauten, der Sanierung von Bestandsbauten und dem Innenausbau sowie der regen Teilnahme an Wettbewerben beschäftigen sich die Architekten gerne mit künstlerisch-experimentellen Projekten. Für die Stadt Lüdenscheid entwarfen LHVH Architekten eine konstruktivistische Lichtstele, bei der jedes Detail zur Perfektion entwickelt wurde. Diese Detailversessenheit, die allen drei Büropartnern inne ist, kann als eines der Markenzeichen von LHVH stehen.

Ihr Büro ist neben etablierten Bauaufgaben gerne experimentell unterwegs und beschäftigt sich auch mit Container Architektur. Erst gerade haben Sie in der gleichnamigen Ausstellung im NRW Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf Ihren „Zeitraum für Kunst“ vorgestellt. Worin liegt der Reiz?
Jens Voss: Bei den meisten unserer Container-Projekte liegt der Focus in der Art und Weise, wie sich Stadt durch temporäre Projekte prägen und verändern lässt. Potenziale von Orten, die wir mit vergänglichen Eingriffen sichtbar machen, öffnen sich und eine Neuinterpretationen vorhandener Strukturen wird möglich.

War eine Veränderung auch Ihr Ansatz für die permanente Lichtskulptur, die Sie für den Bahnhofsvorplatz der Stadt Lüdenscheid entworfen haben?
Jens Voss: In gewisser Weise ja, denn die Lichtstele verändert sich selbst und damit auch ihre Umgebung. Sie zeigt bei Tag und bei Nacht eine komplett unterschiedliche Wirkung. Der gesamte Bahnhofsvorplatz, der in den vergangenen Jahren nicht beachtet worden war, ist ja bereits durch seine Revitalisierung neu interpretiert worden. Er soll nun das Entrée der Stadt darstellen. Was jedoch nach wie vor fehlte, war ein Wahrzeichen für diese „Stadt des Lichts“, in der extrem viele Hersteller rund um die Beleuchtungsindustrie ansässig sind. Uns war es wichtig, dass das neue Wahrzeichen bei Tageslicht und bei Dunkelheit funktioniert. Das bedingt schon eine Veränderung. 

Mit der Stele haben Sie eine buchstäblich verdrehte Skulptur entworfen. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Konstruktion?
Jens Voss: Wir haben einige Zeit experimentiert, diverse Ideen zu Konzepten weiterentwickelt, wieder verworfen, wieder neu angefangen, bevor wir die richtige Lösung fanden. Das ist normal, wenn man sich künstlerisch betätigt. Wir hatten unter anderem an einen Wald aus sieben unterschiedlich hohen Mastleuchten gedacht, die den Schriftzug „Stadt des Lichts“ auf den Boden projizieren sollten. Oder an eine Stele aus Beton, die dann hätte angestrahlt werden müssen. Während der Entwurfsphase wurde uns immer klarer, dass wir mit dem neuen Wahrzeichen der Stadt Lüdenscheid einen Beitrag leisten wollten, der möglichst von allen Menschen verstanden wird. Und, wie schon gesagt, wollten wir damit nicht nur bei Dunkelheit Wirkung erzielen, sondern auch bei Tag, ganz ohne Kunstlicht.

Frank Holschbach: Das ist ja das Interessante an der Lichtstele, dass sie nicht nur in der Phase ihrer Elektrifizierung wahrgenommen wird. Bei Tageslicht ergibt sich ein wunderbares Spiel aus Licht und Schatten, das sein Potenzial erst aufgrund der verdrehten, besser gesagt gefalteten Konstruktion, richtig entwickeln kann.

Wie ist es bei Ihren Architektur-Entwürfen. Messen Sie dem Licht dort eine besonders große Rolle zu?
Frank Holschbach: An einem Stausee bei Düren haben wir ein eingeschossiges Ferienhaus mit einer Ganzglas-Eckfassade gebaut, die den Innenraum mit Tageslicht durchflutet. Zusätzlich haben wir in das Flachdach ganz besondere Lichtkuppeln integriert, die wir selbst entwickelt und mit RSL konstruiert haben. Sie sorgen nicht nur für den Eintritt von Tageslicht, sondern übernehmen auch die künstliche Beleuchtung. Es sind quasi elektrifizierbare Lichtkuppeln, die nachts innen und außen leuchten. Das macht sich nicht nur in den Räumen, sondern auch in der Landschaft hervorragend.

Wie hat RSL reagiert, als sie mit der Idee der konstruktiv schwierigen Lichtstele kamen, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft eines Sonderleuchten Herstellers gehört?
Frank Holschbach: Das Unternehmen ist hochgradig auf Blechverarbeitung spezialisiert und da macht es eigentlich keinen Unterschied, ob man Leuchten oder Skulpturen aus Blechteilen baut. Für beides benötigt man äußerste Präzision, und die gehört zu den Kernqualitäten von RSL. Wie wir später erfahren haben, sind in der Sankt Augustiner Manufaktur ja auch schon viele bemerkenswerte Lichtskulpturen für markante Aufstellungsorte gebaut worden. Außerdem scheinen sie bei RSL solche Herausforderung zu lieben.

Jens Voss: Es lief eigentlich alles sehr unkompliziert. Wir haben uns zunächst einmal vor Ort von den Fertigungsmöglichkeiten überzeugt. Dann haben wir uns zusammengesetzt und anhand unseres Entwurfes über erste Detaillösungen diskutiert. Schon kurze Zeit nach Auftragserteilung durch die Stadt Lüdenscheid bekamen wir ein Konstruktions-Prinzip in Form von technischen Zeichnungen, 3D-Darstellungen und  sogar einen Prototyp als 1:1 Detailausschnitt. Das hat uns natürlich angenehm überrascht, zumal alles im strikt festgelegten Budget blieb.

Gab es auch mal unangenehme Überraschungen?
Jens Voss: Wir müssen ja nichts schönreden. Natürlich gab es auch mal Schwierigkeiten. Ich bin nämlich total detailversessen, und das gilt für unser gesamtes Büro. Wir hatten aber einen guten Draht zueinander, waren als Projektteam hoch motiviert und sind extrem offen miteinander umgegangen. Herr Alheid, der Projektleiter bei RSL, sagte dann: „Herr Voss, Du spinnst!“ Anschließend haben wir nach einem neuen gemeinsamen Nenner gesucht und ihn auch gefunden.

Frank Holschbach:
 In der ersten Zeichnung, die RSL angefertigt hatte, waren die Glasscheiben in Rahmen gefasst. Wir wollten aber partout rahmenlose Scheiben, was auf Grund der Spannungen im Material natürlich nicht einfach ist. In solchen Fällen kämpfen wir, bis wir rundherum zufrieden sind. Jedes kleinste Detail muss stimmen.

Jens Voss:
 In solchen Situationen haben die RSL Mitarbeiter schon mal die Faust in der Tasche gemacht. Das ist ja auch verständlich, denn da können wir ziemlich anstrengend werden. Aber dann haben wir zusammen Details entwickelt, die den ästhetischen Anspruch aller Beteiligten erfüllen.

Die Sache scheint Ihnen Spaß gemacht zu haben. Haben Sie Lust auf mehr solcher Ausnahmeprojekte?
Jens Voss: Unser Büro ist ja per se eher individuell ausgerichtet und wir drei Büropartner haben gemeinsame Interessen wie Kunst, Grafik, Produktgestaltung und Popmusik. Dieses Spektrum ermöglicht uns immer mal wieder die Beschäftigung nicht nur mit Ausnahmeprojekten, sondern sogar in Arbeitsfeldern, in denen Baugesetze und DIN-Normen keine Rolle spielen.

Ich danke Ihnen beiden für das Gespräch.

Das Interview führte Petra Lasar

www.lhvh.de